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Japanische Erfolgskonzepte

Verantwortlicher Autor: Kurt Lehberger Frankfurt am Main, 04.10.2024, 12:05 Uhr
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Buchcover: Japanische Erfolgskonzepte v. Brunner u. The Toyota Way v. Liker
Buchcover: Japanische Erfolgskonzepte v. Brunner u. The Toyota Way v. Liker  Bild: Kurt Lehberger

Frankfurt am Main [ENA] Franz J. Brunner (1930 – 2018) war Dozent für Qualitäts- und Umweltmanagement am Institut für Managementwissenschaften der Technischen Universität Wien. "Japanische Erfolgskonzepte" erschien 2023 in der 5. Auflage. Was sind die Konzepte und was können wir von dem japanischen Management lernen?

KAIZEN ist das japanische Konzept der Verbesserung in kleinen Schritten. KAI steht für „verändern“ und ZEN für „gut. Der Mensch muss sich den Anforderungen anpassen und sich ständig verbessern. Die Technik verbessert sich durch Innovationen. Der Mensch verbessert sich in der Zusammenarbeit in Teams und in sogenannten Qualitätszirkeln. Der KAIZEN-Schirm spannt sich über die folgenden Themen: Kundenorientierung, TQC (umfassende Qualitätskontrolle), Qualitäts- Zirkel, Vorschlagswesen, Automatisierung, Arbeitsdisziplin, TPM (umfassende Instandhaltung, Produktivitätskontrolle, KANBAN, Just-in-time, Fehlerlosigkeit, Kleingruppenarbeit, Kooperation der Managementebenen, Produktivitätssteigerung, Entwicklung neuer Produkte.

Im Folgenden werden einige wesentliche Themen näher dargestellt. Pareto ist die beste Methode, um den Hebel zu finden, der die Wirksamkeit am stärksten erhöhen kann. Das Ziel ist eine Trennung von « vital few » und « trivial many » vorzunehmen. Ähnlich einer ABC-Analyse wird das entscheidende Feld herausgefunden, das verbessert werden muss, um die höchste positive Auswirkung zu erfahren. Die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung einzelner Komponenten für das Gesamtergebnis lassen sich analytisch und visuell in dem Ishikawa Diagramm darstellen. Tritt ein Fehler in einem komplexen System auf, können mit dem Ishikawa-Diagramm die Komponenten dargestellt und mit Wahrscheinlichkeiten bewertet werden, um die Störquelle zu finden.

Ishikawa Diagramm oder „Fischgräten-Diagramm“ ist ein Werkzeug zur Analyse der Hauptproblemquellen und deren Beträge zur Entstehung. Es ist ein sogenanntes Ursache-Wirkungs-Diagramm. Problemlösungskompetenz wird unter Verwendung von Hinterfrage-Techniken wie z.B. 5 W (fünfmal Warum)-Fragen erreicht. Es gilt die Ursache des Problems zu finden. Hansei ist Bestandteil von KAIZEN und beschreibt eine innere Haltung, die in Bezug zur Arbeit, entscheidend für ein gutes Ergebnis ist. Dabei spielen Selbstreflexion und die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen eine bedeutende Rolle. Der Begriff « Emotionale Intelligenz » ist heute in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Eine sehr passende Ergänzung aus den USA zu Hansei aus Japan.

Das Motto: «No problem is a problem» zeigt den Kern der inneren Haltung: Fehler müssen sein, um davon zu lernen. Eine positive Fehlerkultur ist für das Unternehmen in allen Bereichen notwendig. KAIZEN und Demings PDCA Cycle (Plan, Do, Check, Act) sind die bei Toyota die wesentlichen Konzepte. Sie führen zu kleinen Schritten zur Verbesserung. Dagegen sind bei VW große, spektakuläre Schritte die Art der Fortbewegung. Die radikale Veränderung ist dann schnell existenzentscheidend. Das erinnert an „Abwehr oder Flucht“, eine menschliche Haltung bei einem überraschenden Angriff. Hier ist Toyota VW voraus. Wenn große Veränderungen anstehen, gibt es einen erprobten Change Prozess.

John P. Kotter hat diesen Change – radikaler Umbruch der Veränderung – in acht Schritten skizziert. Change ist also möglich. Dafür gibt es auch erfolgreiche Beispiele wie der Change von IBM vom Hardware-Lieferant zum Software-(und Rest-HW)Spezialist. Das PC-Geschäft wurde an Lenovo (China) verkauft. Just-in-Time Produktion ist eine weitere Komponente, die nur auf Basis eines hoch differenzierten, transparenten und qualitativ ausgereiften Prozess möglich ist. Daneben spielt KANBAN eine bedeutende Rolle. Im Buch ist die Werkssicht eingenommen. KANBAN ist ein Pull-System: Aufgaben werden selbständig über den nachfrageorientierten Auftrag in Bewegung gesetzt – also gezogen.

Im Gegensatz zu KANBAN bewirken Push-Systeme, dass Prozesse auf Knopfdruck von Anfang bis zum Ende durchgedrückt werden. Im Buch wird KANBAN in der physikalischen Produktion gesehen. Heute sprechen wir auch in der Softwareentwicklung von KANBAN – hier sind agile Konzepte gemeint, bei denen SW Entwickler sich die Aufgaben nehmen, die im Backlog gesammelt sind, und so, selbständig den Arbeitsauftrag an sich ziehen. Ein Bestandteil von KAIZAN ist das Vorschlagswesen. Anregungen zur Prozessverbesserung werden von den Mitarbeitern*innen in ein Formular geschrieben. Das ausgefüllte Papier wird in den dafür vorgesehenen Briefkasten eingeworfen. Heute werden die Ideensammler meist elektronisch über das Intranet angeboten und bearbeitet.

Nur die Nutzleistung bringt positive Wertschöpfung. Die Blindleistung (z.B. Wartezeiten) und die Fehlleistung (z.B. Ausschuss) ergeben negative Wertschöpfung und müssen vermieden werden. KVP - der kontinuierliche Verbesserungsprozess - zielt auf die Optimierung von Qualität, Kosten, Zeit und Umwelt (Nachhaltigkeit) ab. Prozessverbesserungen können mit Hilfe des PDCA-Zirkels von Deming erst als Pilot und dann nach weiteren notwendigen Zirkeln in die neue Standardisierung überführt werden. Franz J. Brunner nimmt das Six Sigma Konzept von Motorola in die japanischen Erfolgskonzepte mit auf. Die Null-Fehler-Toleranz in einzelnen Projekten erhöht die Qualität der Produkte.

Poa Yoke, ein Prinzip aus Japan, verfolgt das Null-Fehler-Ziel konsequent durch die Vermeidung von zufälligen Fehlern. Beispiel ist die SIM-Karte im Handy. Sie ist asymmetrisch geschnitten, so dass es unmöglich ist, die SIM-Karte falsch einzusetzen. Der Schnitt einer Ecke des Smart-Karte lässt keine andere Alternative zu. Eine weitere Methode ist Shainin. „Lasst nicht die Ingenieure raten; lasst die Teile sprechen!“ d.h. durch Datensammeln und Interpretation werden wesentliche Erkenntnisse gewonnen. Heutige KI-Anwendung in der Produktion beruhen auf Daten (maschinelles Lernen). KI ist im Buch noch nicht erwähnt, da erst ab 2020 die KI in der Industrie relevant wurde.

Shop Floor Management ist die Einbeziehung der Mitarbeiter*innen in den Produktionsprozess. Selbstdisziplin, Eigeninitiative und hohe Motivation sind die Grundpfeiler des Employee-Empowerments, das erreicht werden soll. Dafür braucht es die Idee der Lernenden Organisation – jeder, jede Mitarbeiter*in ist beteiligt an den Change-Prozessen und dem Wissensmanagement. Die verteilte Intelligenz wird genutzt. Damit das gelingt, sind hohe Transparenz, sehr gute Kommunikation und ein kontinuierlicher Informationsfluss erforderlich. Wie bei einem Staffellauf, muss die Stabübergabe hundertprozentig gelingen. Im japanischen Management erfährt der Mensch viel Aufmerksamkeit.

Es gilt: Maschinen nutzen sich ab, sie erfahren Wertverlust. Der Mensch hingegen, lernt dazu und erzielt Wertgewinn. Das Management von Toyota nennt sieben Kompetenzen: klare Richtungsvorgaben, Instrumente der Fokussierung, eigene Situationsanalyse - genchi genbutsu, Problemlösung, Kommunikation, Projektmanagement und unterstützende Kultur.(Seite 104). Visualisierungen zählen zu den Voraussetzungen für eine gelebte Transparenz. Ein Beispiel für eine nützliche Visualisierung ist der Projektplan als Netzplan der Aktivitäten, deren Dauer und deren Reihenfolge. Der kritische Pfad wird dabei herausgefunden, also die wesentlichen Komponenten, die zügig zu bearbeiten sind, damit das Projekt nicht in Verzug gerät.

Was sind die Wurzeln des Problems? Franz J. Brunner unterstreicht, dass das japanische Management nicht bei den Symptomen stehenbleibt, sondern durch Frage-Techniken wie 6 W (was, wer, wo, wann, warum, wie) und 5 W (fünfmaliges Warum-Hinterfragen) auf die Findung der Ursache abzielt. Herausragende Bedeutung für die gesamte Belegschaft haben die Eigenschaften Ordnung, Disziplin und Sauberkeit. Kaizen wird unterstützt durch Gemba (die Kernaufgaben wahrnehmen) und Kansei (Emotionale Bedürfnisse der Kunden erfüllen) und die Prinzipiem von Muda, Muri und Mura. Drei Prinzipien, die aus dem Japanischen entnommen sind, sorgen für die ganzheitliche „Lean Production".

Muda: Vermeidung nicht werthaltiger Vorgänge und Fokussierung auf Aktivitäten, die die Wertschöpfung erzielen. Muri: Vermeidung von Überlastung von Menschen und Maschinen. Körperliche und geistige Überbeanspruchung, die sich in Übermüdung, Stress, Fehlerhäufigkeit, Arbeitsunzufriedenheit äußern kann, soll vermieden werden. Mura: Vermeidung von Unausgeglichenheit z.B. unterbrochener Produktionsfluss. Angestrebt werden Harmonisierung der Prozesse und die gleichmäßige Kapazitätsauslastung. Die Reduzierung der drei „Mu’s“ ist das Imperativ „Verschwendung vermeiden!“. Die erfolgreichen Unternehmen sind „schlank“ d.h. die Prozesse sind auf die optimale Wertschöpfung ausgerichtet. Sie steigern damit die Wettbewerbsfähigkeit.

Ein weiteres Konzept für die Warenproduktion ist das TPM – Total Productive Maintenance. TPM strebt die produktive, autonome Instandhaltung des Maschinenparks an, um eine hundertprozentige Verfügbarkeit der Maschinen zu erreichen. Beispiel: Bei Toyota wurden lange Rüstzeiten unter Anwendung des SMED-Prinzips (Single Minute Exchange of Die) auf unter 10 Minuten reduziert und damit die Produktivität erheblich gesteigert. Bei der Belegschaft sind durch TPM u.a. die Anzahl der Verbesserungsvorschlage auf 230 % gestiegen und die Anzahl der Kleingruppentreffen verdoppelten sich. Ähnlich wie in Six Sigma, gibt es im TPM ,,JIDOKA“, ein autonomes Null-Fehler QS System mit dem Prinzip: Nichts Schlechtes herstellen, weitergeben, annehmen (dürfen).

Die Krönung der QS-Bestrebungen stellt das TPS Haus dar. TPS, Toyota Production System, verbindet Beste Qualität − niedrigste Kosten − kürzest mögliche Durchlaufzeit −größte Sicherheit − hohe Arbeitsmoral. Im Buch ist eine sehr nützliche Übersicht des Toyota Produktions-Systems (Bild 7-13: Das– TPS-Haus) enthalten. Die 14 Prinzipien des Toyota Erfolgsweges sind nach J.K. Liker (siehe Bild 2. Buch) in vier Kategorien zusammengefasst: Langfristige Philosophie, Richtige Prozessführung, Mitarbeiter- und Partnerentwicklung, Gründliche Problemursachenfindung. Die vier Kategorien werden als die 4 Ps bezeichnet, da in jeder Kategorie das P zu finden ist.

Ein weiteres Konzept, das im japanischen Management eine große Rolle spielt, ist das „GD-Cube“. Es ist die Weiterführung der KAIZEN-Idee bezogen auf die prozessimmanente Qualität. Fehlermöglichkeiten werden bereits während der Entwicklungsphasen neuer Produkte identifiziert und durch Einbeziehung in den Produktentwicklungsprozesses vermieden. Toyota wird seit vier Generationen nach strengen, ethischen Grundprinzipien geführt. Das Unternehmensmotto von Toyota des 21. Jh. lautet: Leidenschaftlich an einer besseren Gesellschaft arbeiten! Das Buch zeigt viele Zusammenfassungen der Konzepte in Schaubildern. Z.B. werden Problemlösungen nach PDCA-Zyklus, 6 W-Technik und 7 Step im Vergleich gezeigt (Bild 2-23).

Zahlreiche Dokumentvorlagen zum Ausfüllen bzw. Anwenden sind in dem Buch mit aufgenommen. Über einen Code können die Dokumente auf der Webseite von dem Hanser Verlag heruntergeladen werden. Die 7 M Fragen als Checkliste im Word-Format sind sehr gut geeignet für Interviews mit Mitarbeiter*innen, um einen ersten Einstieg in die Situation der Arbeitsumgebung und der möglichen Probleme zu erhalten. Die japanischen Erfolgskonzepte werden aus der Sicht eines Produktionsbetriebs dargestellt. Die Sicht auf die physikalische Herstellung von Produkten mit Material, Maschinen, Lagerhaltung usw. steht im Vordergrund. Die japanischen Erfolgskonzepte sind aber ebenso für Unternehmen der Dienstleistungsbranche, der Behörden, der NGOs u.a. anzuwenden.

Lean Management ist in allen Bereichen des Wirtschaftens notwendig, um kundengefällige Produkte und Dienstleistungen kostengünstig und in hoher Qualität anzubieten. Selbst für einen gelungenen und dauerhaft erfolgreichen Internetauftritt mit der Einbeziehung der Social Media Kanälen unterstützen die dargestellten Qualitätswerkzeuge und Qualitätsmethoden. Der PDCA Qualitätszirkel von Deming kann z.B. in allen Bereichen des Content Management angewendet werden, dort wo Veränderung und Anpassung an der Tagesordnung sind, um im Spiel zu bleiben. Franz J. Brunner gelingt es, die Vielfalt der japanischen Erfolgskonzepte in konzentrierter Form, in der logischen Vernetzung und durch zahlreiche Bildern anschaulich darzustellen.

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