Auftakt der Frankfurter Buchmesse 2024
Frankfurt am Main [ENA] Heute Morgen am 15.10.2024 um 11 Uhr fand die Pressekonferenz zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse unter dem Motto „Fest der Vielfalt, Debatte und Buchbegeisterung“ statt. Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, hob die Bedeutung der Buchmesse hervor.
Sie sagte bei der Pressekonferenz zur Messe-Eröffnung: „Die Buchmesse ist eine Agora des dialektischen Austauschs in wechselseitigem Respekt, ein Ort, an dem unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen, ohne aufeinanderzuprallen.“ Positiv ist neben den leicht gestiegenen Umsatzzahlen zum Vergleich des Vorjahres, dass junge Menschen wieder mehr lesen, “Sei es, weil sie in Geschichten ein- und abtauchen möchten, sei es, um Neues zu entdecken, sich Wissenswelten zu erschließen, sei es, um sich anhand sorgfältig recherchierter und klar formulierter Hintergrundinformationen eine eigene Meinung zu bilden oder diese zu überprüfen.“ Eine weitere Herausforderung ist der Einzug der KI-Systeme in die Buchbranche.
„KI kann unterstützen und assistieren, kann Prozesse vereinfachen und kreative Impulse geben. Was sie – zumindest noch – nicht kann: Überraschende, irritierende, berührende, inspirierende Texte schreiben. Und was oft vergessen wird: Die Fähigkeiten dieser Systeme basieren auf dem größten Datenklau der Geschichte. Urheberrechtlich geschützte Texte und Bilder wurden und werden millionenfach ohne das Einverständnis der Urheber*innen und ohne Honorarzahlungen als Trainingsmaterial für KIs eingesetzt. Das geht so nicht! Wir brauchen klare Regeln. Das europäische KI-Gesetz, der AI-Act, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, viele Punkte sind aber noch offen.“
Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, weist darauf hin, dass der Politik aus der literarischen Perspektive viel Raum auf der Buchmesse gegeben wird. In dem “Debattenzelt” Agora sind rund um die Uhr literarische Themen, die zur politischen Diskussion einladen. Ferner gibt es “Frankfurt Calling”, das kulturpolitischen Programm der Buchmesse, u.a. Bücher und Vorträge zu “Black Feminism” oder Aussteller wie die Bildungsinstitut Anne Frank, die politischen Themen auf der Buchmesse ansprechen und zum Diskurs einladen. Für das junge Publikum wurde die Halle 1.2 reserviert. Hier treffen sich auf 8.000 Quadratmetern die “New Adult” – Literaturszene. Es sei mehr eine “Convention” als eine klassische Messe, in den Worten von Juergen Boos.
Elif Shafak ist als Autorin mit auf dem Podium. Sie hält eine herausragende Rede. Nach dem Fall der Mauer haben wir mit viel Optimismus in die Zukunft geschaut. Freiheit und Frieden schienen uns garantiert. Die Digitalisierung hat uns leichten Zugang zu allen möglichen Informationen versprochen. Heute haben wir Kriege und Klima-Katastrophen. Die Zeit ist nicht linear, sie ist zirkular. Wir sehen Rückschritte, die uns sehr verängstigen. Elif Shafak unterscheidet Information, Wissen und Weisheit. Wir haben mehr Informationen, aber wir sind weniger weise. Es ist eine Illusion von Wissen zu sprechen. Vieles ist vage und wir müssen zugeben, dass wir durchaus manchmal sagen sollten “I don’t know” – ich weiß es nicht.
Wir müssen mit der Zeit umgehen lernen. Eine Langsamkeit ist berechtigt, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wir brauchen auch kulturelle Plätze (cultural spaces), um Diskurse führen zu können. Das Herz, die Gefühle sind wichtig in unserer Welt. Emotionale Intelligenz ist notwendig. Die Autoren*innen sollen eine Verbindung zur Kunst (art), zum Kunsthandwerk (craft) und dem Geschichtenerzählen (Storytelling) herstellen. Die Literatur hat die Rolle des Bewahrens der Erinnerung (memory keepers). Nordafrika hat viele Krisen und Frauen und Kinder tragen Wasserkanister, um zu überleben. Geschlechtergerechtigkeit ist ein wesentlicher Faktor zur Überwindung der Armut. Dazu gibt es viele noch nicht erzählte Geschichten (untold stories) von Frauen.
Literatur sind mündliche und schriftliche Geschichten. Oft bringt sie uns Hoffnung und stärkt unsere Widerstandskraft. Dies ist auch nach einem schrecklichen Ereignis ein wichtiger Weg zur Verarbeitung des Geschehenen. Wir leben in einer Zeit der Angst. Wir brauchen positive Energie. Es fehlen uns positive Gefühle. Das birgt die Gefahr, in eine Apathie zu fallen. Elif Shafak erinnert uns an Hannah Arendt und möchte, dass wir mehr Hoffnung haben und eine Flamme des Friedens (flame of peace) anzünden. Elif Shafak ist Türkin und lebt seit fünfzehn Jahren in Großbritannien. Sie ist Professorin für Politikwissenschaft und vergleichende Literatur-Wissenschaft und Autorin von 21 Büchern.